Lesung Oberwesel 2


Das Kulturhaus Oberwesel bietet im Rahmen von RHEIN!ROMANTIK? am Sonntag, 21.05. von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr eine weitere Lesung zum Thema RHEIN!ROMANTIK? an.
Als Zuhörer sitzen Sie wieder mitten in unserer Ausstellung. Sie sind quasi für die Dauer der Lesung selbst Teil unseres Projektes. Vielleicht wecken die vielen Exponate auch bei Ihnen Erinnerungen an längst vergessene Ereignisse, vielleicht erinnern Sie sich aber auch an die tiefgründigen Gedanken und den etwas anderen Begriff von Romantik, die wir Ihnen in unserer Lesung am 14. Mai näher gebracht haben.
Lassen Sie uns doch an Ihren Gedanken teilhaben, teilen Sie sie uns in einem Kommentar mit. 
https://rheinromantik.org/unsere-ausstellung/lesung/ (das Kommentarfeld finden Sie ganz unten auf der Seite!) 
Oder tauchen Sie  einfach nur in die Geschichten unserer beiden Autorinnen ein. Lassen Sie sich von Frau Margret Drees und Frau Leona Riemann auf eine Reise in längst vergangene Zeiten entführen. 
Frau Margret Drees erzählt vom Teufelsmaler, einer rheinischen Sage aus dem Mittelalter oder Frau Leona Riemann liest in ihrem neuesten Werk wahre Geschichten von Menschen, die zur Zeit der Rheinromantik in St. Goar Schornsteine fegten.
Auch Margret Drees und Leona Riemann verstehen es auf besondere Weise, das Thema RHEIN!ROMANTIK? und damit das Thema der Ausstellung „?“ oder das „!“ ohne Fotoapparat oder Malerpinsel, nur mit der Kraft des Wortes, in die Köpfe der Zuhörer zu zaubern. Folgen Sie uns für ein paar Stunden auf eine Reise in eine längst vergessene Welt. Entscheiden Sie selbst, wie romantisch diese Reise werden soll.
Ab Herbst (29.09.-26.10.) werden in Bingen weitere Lesungen zu diesem Thema angeboten. Auch sie zeigen auf prosaische Weise den Weg zur Rheinromantik.
Bleien Sie uns treu!  Wir informieren Sie rechtzeitig auf unserer Homepage Rheinromantik.org. über unser Programm.

Oberwesel So 21.05.2023 / 14:30-17 Uhr

14:30 MARGRET DREES L005

Margret Drees wurde 1937 in Diez/Lahn geboren. Erlernter Beruf: Bankkauffrau. Ausgeübte Tätigkeit: Sekretärin und Sachbearbeiterin bei der Industrie- und Handelskammer, Frankfurt/Main. Margret Drees war langjährige frei Mitarbeiterin beim SWR, Mainz. Sie lebt heute in Rheinböllen/Hunsrück.

Margret Drees liest aus ihrem Buch:

Die 7 Jungfrauen und das Traumwochenende

(Romanauszug)

„Der da, der soviel Geld hat, ist der Schönste.“ – „Aber er ist auch der Böseste“, entgegnete Konrad.

„Und warum?“

„Das musst du dir nach der Messe mal vom Priester erklären lassen. Das ist eine lange Geschichte.“

Auch diese Szene erinnerte Konrad an seine Zeit im Waisenhaus. Da bewarfen die Jungen die Katzen immer mit Steinen, und kein Erwachsener verbot es ihnen.

Leseprobe

(…) So lange es noch hell war, richtete er sich im Ziegenstall hinter dem Wirtshaus ein Strohlager und wusch sich die Füße. Die Wunde am Fuß tat jetzt wenigstens nicht mehr weh. Er konnte sie auswaschen und spürte keinen Schmerz. Vielleicht heilte sie jetzt endlich. Er wollte einfach nicht an diese schlimme Krankheit glauben und versuchte, die Gedanken daran zu verdrängen.

Da war auch noch die Wunde am Kopf, die nicht heilen wollte. Er hatte sie sich hoch oben auf dem Gerüst zugezogen, als er das „Jüngste Gericht“ an die Decke malte. Vielleicht war da auch ein Holzsplitter in die Wunde gekommen, genauso wie am Fuß. Früher war das ganz einfach. Da zog man den Splitter heraus, und die Wunden heilten innerhalb kurzer Zeit wieder zu. Jetzt blieben sie offen, eiterten, stanken, und wollten nicht mehr heilen. Aber warum nur? Das musste einen Grund haben. Er konnte es sich nicht erklären.

„Vielleicht“, dachte er, „vielleicht hängt es damit zusammen, dass immer ich es bin, der den Teufel malen muss. Wenn man sich ständig mit ihm beschäftigt, dann kriecht er einem in die Wunden und in die Gedärme. Dann frisst er einen von innen heraus auf. Man darf nicht an ihn denken, sagen die Alten. Wenn man nur an ihn denkt, dann ist er ganz nah. Dann kann man ihm nicht mehr ausweichen. Und was die sagen, das stimmt. Sie wissen es aus Erfahrung. Sie meiden ihn, immer und überall. Sie lassen sich nicht mit ihm ein. Und ich – ich muss es.“

‚Mal du den Teufel‘, sagte der Meister immer. ‚Die anderen, die wollen das nicht.‘ Und dann musste er ständig an ihn denken und sich vorstellen, wie er aussieht. Sonst konnte er ihn nicht malen.

Einmal, als der Friedrich krank war, da durfte er die Gottesmutter malen. Und die war so schön! Viel schöner, als wenn Friedrich die gemalt hätte. Das sagte sogar der Meister. „Aber ich brauche dich für den Teufel und für die Hölle“, hatte er traurig hinzugefügt.

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15:30 Leona Riemann L002

Leona Riemann, Jahrgang 1952, lebt seit nahezu 30 Jahren auf dem Hunsrück. Mit ihrer Reihe „Hunsrücker“ hat sie sich als belletristische Schriftstellerin der Darstellung menschlicher Schicksale des Landstrichs zwischen Rhein, Mosel und Nahe von Emmelshausen bis Hermeskeil verschrieben. 

Seit sieben Jahren veröffentlicht sie historische Geschichten und hat sich mit ihren sauber recherchierten Erzählungen ein Alleinstellungsmerkmal im Bereich der Hunsrück-Literatur erarbeitet.

Mehr zu ihrer Literatur: www.verlag-hunsruecker.de

Leseprobe: Balthasar Sottocasa, Spazzacamino in St. Goar

(…) Es war nicht nur die Sprache, die die beiden Männer trennte: hier der schmächtige Italiener, der sich vor Jahren mit seinem „Bocia im Schatten von Burg Rheinfels niedergelassen hatte – dort der Familienvater, der misstrauisch über seine Familie wachte. Der „Bocia“, das war einmal Balthasar gewesen, 10 Jahre alt, klein und wendig, fix und geschickt beim Klettern durch den Kamin, immer an der Wand entlang, der Kratzer baumelte am Handgelenk, auf jeder Sprosse schabte er damit alle vier Wände rußfrei. Er lächelte. Ja – sein Meister hatte es gut mit ihm getroffen, er war stolz auf Balthasar, und Balthasar war stolz, für ihn, den italienischen Spazzacamino, Bürger von St. Goar, arbeiten zu dürfen.

Bürger von St. Goar – das war längst nicht jeder Spazzacamino geworden! Die Liste derjenigen, die kamen und wieder gehen mussten, war beträchtlich. Airola aber hatte es zu Rang gebracht, an seiner Seite auch Balthasar, der Sottocasa.

Der Meister hatte sich für ihn eingesetzt. Ihm verdankte Balthasar heute seinen großen Tag. Noch heute würde auch er die Papiere in der Hand halten, die den Sottocasa zu einem ordentlichen Bürger der Stadt St. Goar machten. Deswegen hatte er die ganze Nacht nicht schlafen können, und Filippo auch nicht.

Dass Airola ein wahrer Meister seines Fachs war, hatte damals den Hasenmüller wenig beeindruckt. Einen Kamin im Haus hielt er für überflüssig: die rußige Kruste, die der Rauch der Feuerstelle an den Wänden der Stube gebildet hatte, sollte man lieber nicht entfernen, sagte er. Er hielt die klebrige Schicht, die sich mit Speisedampf aus dem Kochtopf sowie mit den schwefligen Dämpfen des Rauchs, dazu mit Asche mischte, für wichtig. Sie sorge für Dichtigkeit und Festigkeit seines Hauses, erklärte er.


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