Auch bei der dritten Rhein!Romantik?-Lesung in Sankt Goarshausen kam der kleinen Zuhörerschaft wieder Anregendes und Inspirierendes zu Gehör.
Die Schriftstellerin Margret Drees (Rheinböllen) las aus ihrem Buch „Das Schwarz im Regenbogen“ zwei Passagen, in denen besonders die innere Zerrissenheit ihres Protagonisten eindrücklich zur Sprache kommt. Margret Drees hat aus ihrer persönlichen Betroffenheit über ein in einer Chronik vermerktes historisches Ereignis von 1590 weit mehr gemacht als eine spannende Kriminalgeschichte mit Hunsrücker und Mittelrheinischem Bezug. Sie lässt ihre Leser auch teilhaben an der Selbstreflexion eines von inneren Konflikten erschütterten Verbrechers und greift neben zeitgeschichtlichen Themen – wie Wertewandel, Feudalstruktur oder Konfessionsstreit – auch die ganz großen Fragen – wie die nach „Freiheit“, „Liebe“ oder „Selbstrechtfertigung“ – auf. Das Publikum konnte zwar nur erahnen, was genau die Hauptfigur Friedrich Wilhelm Isenberg auf dem Weg zum Rhein mit sich herumschleppt, aber Margret Drees ließ die Zuhörer mit ihrer Auswahl der gekonnt vorgetragenen Buchabschnitte tief eintauchen in die Gedankenwelt eines Menschen, der mittels Autosuggestion verzweifelt versucht, mit sich eins zu werden. Der weitere Verlauf und das Ende sind nachzulesen im Buch oder zu hören in einer weiteren in Aussicht gestellten Lesung.
Nach einem Schluck Wein in der Pause präsentierte Kulturwissenschaftler und Ethnologe Prof. Dieter Kramer (Dörscheid) seinen Zuhörern neben differenziert begründeten Thesen vor allem persönliche, lebensgeschichtliche Eindrücke und Ansichten, die sich direkt und unmissverständlich auf sein und unser jetziges Lebensumfeld beziehen. Dabei untergliederte er seinen komplexen Vortrag, unmittelbar auf den Begriff „Rhein!Romantik?“ bezogen, in mit Ausrufezeichen und Fragezeichen versehene Punkte. Durchaus auch kritisch – zum Beispiel hinsichtlich der Vermarktung des Loreleyfelsens oder dem „Ausverkauf von Kultur“ auch in unserer Region – gab Dieter Kramers Vortrag unzählige Anregungen, wie ein alle Bürger umfassendes Miteinander trotz aller Unterschiedlichkeiten Konstruktives – beispielsweise in Genossenschaften, Initiativen oder der nicht nachlassenden Auseinandersetzung mit politisch Verantwortlichen – gestalten und Notwendiges – wie den Ausstieg aus der Wachstumsfalle oder den Protest gegen die Einschränkung individueller Kreativität – in Gang bringen kann. Nachfragen und Anmerkungen waren erwünscht, und es ergab sich ein angeregtes Gespräch, dem nun auch entsprechende Taten folgen können. Bei dem am 11. August in Bacharach geplanten Vortrag von Dieter Kramer und Susanne Enderwitz wird weiteres Motivierendes zu erwarten sein.
Moderator Helmut Wagner ist es wieder einmal gelungen, die beiden recht unterschiedlichen Lesungsblöcke in interessante Verbindung zueinander zu bringen und dann auch in wohltuenden Art zu Gespräch und Austausch anzuregen.