Auf einem Stück Asphalt sitzt eine kleine Keramikfigur. Nichts an Material oder Ort trägt das Versprechen von Schönheit. Und doch entstehen Bilder: Loreley, Rhein, Sage. Die Romantik liegt nicht im Objekt, sondern in uns.
Novalis forderte, die Welt müsse romantisiert werden – also mit einer zweiten Bedeutungsschicht versehen. Heine ließ die Loreley singen, und seitdem hören wir ihr Echo selbst dort, wo es nichts zu hören gibt. So wirken Märchen und Sagen: Sie konditionieren unsere Wahrnehmung, öffnen Fluchtpunkte, die wir „romantisch“ nennen.
Doch dieses Muster geht tiefer als kulturelle Prägung. Der Mensch schreibt Landschaften seit jeher Bedeutungen ein: Flüsse werden zu Grenzen, Berge zu Symbolen, Steine zu Kultorten. Romantik ist zugleich erlernte Projektion und universale Fähigkeit – das Bedürfnis, im Gewöhnlichen eine zweite, verheißungsvollere Ebene zu sehen.
So genügt eine Keramikfigur am Straßenrand, um Sehnsucht zu wecken. Nicht weil sie Romantik „hat“, sondern weil wir sie hineinlegen. Romantik ist damit zugleich kulturelle Prägung und anthropologisches Urmuster – ein schöpferischer Akt, den wir lernen und zugleich tief in uns tragen.
